Ferenc Szabó

*  27. Dezember 1902

†  4. November 1969

von János Maróthy

Essay

Bartóks und Kodálys Entdeckung der hauptsächlich von armen Bauernschichten getragenen ungarischen Volksmusik war kein „Folklorismus“ im romantisch-nostalgischen oder stilisierenden Sinn, sondern Teil eines volksverbundenen radikalemanzipatorischen Denkens in Ungarn – einem Land, in dem zu Beginn des 20.Jahrhunderts noch die bürgerliche Revolution und die nationale Befreiung von der Herrschaft der Habsburger-Monarchie aktuell waren. Dieses Denken vertraten die bedeutendsten ungarischen Dichter (Endre Ady), Schriftsteller (Zsigmond Móricz), bildenden Künstler (Béla Uitz) und Philosophen (György Lukács). Die bürgerliche (1918), dann die proletarische (1919) Revolution zog daher die besten Intellektuellen an – nicht unbedingt, weil sie die ungarische Räterepublik in der gegebenen Form bejahten, sondern eher, weil sie darin die Möglichkeit erblickten, ihre eigenen, persönlichen humanistischen Zielsetzungen verwirklichen zu können. Die Mitglieder des von Lukács als Kultusminister errichteten Direktoriums für Musik waren die hervorragendsten ungarischen Musiker (Béla Bartók, Zoltán Kodály und Ernst von Dohnányi; Sekretär: Béla Reinitz), und der darauf folgende weiße Terror verschonte die führenden Intellektuellen nicht.

In dieser gesellschaftlichen und geistigen Situation begann die Laufbahn von Ferenc Szabó, für den das ungarische Volkslied etwas nicht von oben Entdecktes, sondern von unten, samt dem Volksschicksal Erlebtes, bedeutete. Dadurch erklärt sich, daß er, obwohl er ...